Die vierköpfige Band ADHD kommt aus Island. Ihre CDs sind Sinnbilder für die unendlichen Weiten des hohen Nordens, dessen freie Sichtachsen höchstens von Vulkanen unterbrochen werden, deren Namen nicht einmal geübte Nachrichtensprecher problemfrei über die Lippen bekommen. Island – ein Land der Extreme. Zu diesen Extremen gehört eben auch eine extrem hohe Musikerdichte, gemessen an der Gesamtbevölkerung. Eine Dichte, die auf kurz oder lang Reibung verursacht. Und die ist in ihrer Musik deutlich zu hören.
Das Motto von ADHD könnte lauten: „We are family“! Keyboarder TÓMAS JÓNSSON, Gitarrist und Bassist ÓMAR GUÐJÓNSSON, Saxofonist ÓSKAR GUÐJÓNSSON und Schlagzeuger MAGNÚS TRYGVASON ELIASSEN kennen sich schon seit ihrer Kindheit. Mehr als alles andere sind sie Freunde, die gemeinsam durch Dick und Dünn gehen. Genau genommen sind sie der kreative Kern einer großen Familie, zu der auch alle anderen Mitglieder – Frauen, Kinder, Freunde, Verwandte, Gleichgesinnte – dieses verschworenen Stammes gehören. Immer was los im Hause ADHD. Also doch ein Wimmelgebilde. Seit 2009 sind sie obendrein eine Band, aber da sie sich schon so lange kennen, sind sie immer ohne Definitionen oder Kategorien ausgekommen. „Viele Bands arbeiten zusammen, weil es sich aus musikalischen Gründen anbietet“, erzählt ÓSKAR GUÐJÓNSSON. „Bei uns ist das ein wenig anders. Unsere musikalischen Hintergründe sind höchst unterschiedlich, aber wir gehören zusammen. In der Band können wir unsere gemeinsame Basis definieren.“
Diese Suche nach dem gemeinsamen Punkt in der Konzentration der Weite macht die vier Wikinger zu einer unverwechselbaren Einheit. Obgleich die instrumentalen Zuständigkeiten zwischen den Mitgliedern klar verteilt sind, geht es doch immer um den kollektiven Sound, der wiederum so kompakt ist, dass sich das Kollektive in einem unteilbaren Ganzen auflöst. Sie sind eine Band, in der sich die vier Extremisten ausleben können, aber komplett ohne rituelle Muskelspielereien auskommen.
Der Bandname ADHD (Attention Deficit Hyperactivity Disorder) mag angesichts der geradezu hypnotischen Wirkung der musikalischen Verläufe innerhalb der Formation dieses Namens ein wenig verwirrend sein, aber GUÐJÓNSSON räumt auch eine therapeutische Wirkung auf die Gruppe selbst ein. Wie bei einem Vulkan konzentriert sich die Energie zunächst nach innen, um daraufhin mit umso mehr Wucht und Nachdruck nach außen zu dringen. Auch auf Ihren Alben fokussieren ADHD sich auf ihre eruptive Live-Energie.
ADHD leugnen keineswegs ihre Wurzeln im Jazz. Improvisation und das spontane Reagieren auf den Augenblick sind immer noch wesentliche Komponenten in ihrer Musik. Doch Musiker von einer Insel, auf der nur 300.000 Menschen leben, müssen vielseitig aufgestellt sein. Insofern leugnen sie überhaupt nichts, sondern öffnen alle Türen, lassen alles zu, was sie auch in anderen Kontexten musikalisch umtreibt. Mit jedem Album steigern sie die radikale Bewusstheit, mit der sie diese ebenso monolithische wie holistische Musik spielen, und gehen aufs Ganze. Sie lassen alle Regeln und Rücksichten hinter sich und gelangen an einen Punkt, an dem es nur noch um ein unmittelbares Ausleben ihrer selbst im Klang geht. Jeder für sich und alle gemeinsam. Das Drehbuch ihrer Musik ist ihnen direkt vom Leben in die Instrumente geschrieben worden. Und das ist gut so, denn auf diesem Weg wird die Familie immer größer.
TÓMAS JÓNSSON – Keys & Organe
ÓMAR GUÐJÓNSSON – Git & Bass
ÓSKAR GUÐJÓNSSON – Sax
MAGNÚS TRYGVASON ELIASSEN – Schlagzeug